Voluntourism: Kritik zur Freiwilligenarbeit im Ausland

Freiwilligenarbeit im Ausland führt zu Kritik
Symbolbild: Schulkinder in Uganda. (Foto: Unsplash)
[dropcap]V[/dropcap]oluntourism – ein neu geformter Begriff, der sich aus Volunteering (Freiwilligenarbeit) und Tourism (Tourismus) zusammensetzt und zum Leben erwachte als Stimmen gegen Freiwilligenarbeit im Ausland immer lauter wurden.

Jedes Jahr reisen tausende Schulabgänger und Sabbatical-Nutzer aus den westlichen Ländern in Entwicklungsländer, um dort Waisenkindern Schulunterricht zu geben, für sie zu kochen und zu putzen, um Tiere zu pflegen oder um die Umwelt und die Natur zu schützen. Auch wenn die Intentionen bei Freiwilligenarbeit gut gemeint sind, hinterfragen die wenigstens, ob sie mit ihrem Einsatz tatsächlich Gutes tun.

Organisierte Freiwilligenarbeit im Ausland – es geht ums Geld

Eine kurze Google-Suche nach Möglichkeiten, wie man nach dem Abitur oder der Matura Auslandserfahrung sammeln kann, offenbart, dass unzählige Anbieter Freiwilligenarbeit im Ausland anpreisen.

Bunte Webseiten mit Hochglanzfotos und gut geschnittenen Videos werben dafür, dass man eine neue Kultur kennenlernt und etwas in der Welt verändern kann. Auf den unzähligen Webseiten der Organisationen für Freiwilligenarbeit lässt sich nach Land, Dauer des Aufenthalts und Preis der Reise suchen.

So kann man schon für 945 Euro zwei Wochen Freiwilligenarbeit in einem Kinderheim in Kenia buchen. Qualifikationen sind nicht erforderlich, dafür erhält man eine Vollpension und einen Schlafplatz bei einer Gastfamilie für vier bis sechs Stunden Arbeitszeit am Tag. Wem Afrika nicht zusagt und wer etwas mehr Zeit und Geld zur Verfügung hat, kann sich auch für 12 Wochen am Meeresschutz in Mexiko für stolze 4750 Euro beteiligen.

J.K. Rowling spricht sich gegen Voluntourism aus

Die Harry Potter Autorin J.K. Rowling hat in einer Reihe von Twitter-Botschaften auf die Missstände in Kinderheimen, die westliche Freiwilligenarbeiter nutzen, aufmerksam gemacht. Sie behauptet, dass Voluntourism dafür verantwortlich ist, das Familien in sehr armen Ländern auseinander gerissen werden, um diesen sogenannten Kinderheimen zu dienen, welche wie Unternehmen geführt werden.

Bei der Freiwilligenarbeit im Ausland wird den Kindern am wenigsten geholfen

Die Freiwilligenprogramme scheinen sich nach dem Zeitplan der Helfer zu orientieren und so bleiben viele nur ein paar Wochen. Für die Heimkinder bedeutet dies aber, sobald sie sich an eine Person gewöhnt haben, wird diese durch eine andere ersetzt.

Woher die Kinder kommen scheint sich keiner zu fragen. J.K. Rowling informiert in einer anderen Twitter-Nachricht, dass 80% der Kinder in Institutionen nahestehende Familienmitglieder haben, die sie zurückhaben möchten. Viele Berichte bestätigen, dass der Großteil der Kinder in den Kinderheimen, die freiwillige Helfer beschäftigen, gar keine richtigen Waisenkinder sind und dass die Familien ihre Kinder nur aufgrund Armut abgegeben haben.

Andere Reportagen gehen weiter und behaupten, dass viele dieser Kinder durch Kinderhandel ihren Weg ins Waisenhaus finden, damit sich mehr westliche Helfer für die Organisation finden beziehungsweise damit mehr Spenden hineinkommen.

Freiwilligenarbeit im Ausland als CV-Booster aber keine wirkliche Hilfe

Ehrenamtliche Tätigkeiten machen sich gut auf dem Lebenslauf. Ein weiterer Grund warum Freiwilligenarbeit im Ausland so beliebt ist. Neben dem selbstlosen Akt jemandem in Not geholfen oder ein Tier oder die Natur gerettet zu haben, hat man noch seine Sprach- und Kulturkenntnisse erweitert.

Dies klagte J.K. Rowling ebenfalls an. Der oftmals sehr kurze Einsatz im Entwicklungsland mag vielleicht mit viel Arbeit für den Helfer verbunden sein, aber hilft der Gemeinschaft nicht langfristig. Man könnte fast meinen, dass die Freiwilligenarbeit im Ausland nur dem freiwilligen Arbeiter dient sich selbst besser zu fühlen als der Gemeinschaft im Entwicklungsland selbst.

Wegfall von Arbeitsplätzen für die Einheimischen

Wenn keine Qualifikationen erforderlich sind, wieso bietet man diese Jobs dann nicht den Einheimischen an? Die lokale Bevölkerung kann langfristig mehr zum Wohlsein der Gemeinde beitragen als immer wechselnde Freiwillige.

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Zudem kann die Bezahlung eines regulären Arbeiters in einem Waisenhaus oder einer Hilforganisation einer ganzen Familie das Überleben sichern. Die Organisationen verdienen am meisten an den Freiwilligen und geben nur einen Bruchteil der Einnahmen weiter beziehungsweise versorgen die Hilfseinrichtungen mit kostenlosen Arbeitern.

Der Teufelskreis, der durch die Hilfsorganisationen entsteht wurde auch schon von der Ökonomin Dambisa Moyo aus Sambia in ihrem Buch „Dead Aid“ kritisiert. Moyo behauptet in ihrem Buch, dass Entwicklungshilfe nicht funktioniert und dass Afrika sich selbst helfen muss, um der Armut und Hungersnot zu entkommen.

 

Marlene Schimanski ist die Gründerin und Chefredakteurin von Auslandskarriere. Sie lebte bereits in fünf verschiedenen Ländern (Portugal, Island, Österreich, Irland und Australien) und ist 2013 nach Australien ausgewandert. Sie hat bei PwC und KPMG im Global Mobility gearbeitet, bevor sie sich als Englisch-Übersetzerin und Karrierecoach selbstständig machte. Sie hat einen Masterabschluss in International Business Administration.