Unsicherheit, Bedenken und Angst vor dem Auslandsaufenthalt

[dropcap]M[/dropcap]onatelang hat Barbara ihren Auslandsaufenthalt in den USA geplant. Ihr halbes Leben hat sie davon geträumt eine Zeit in den USA zu leben und zu arbeiten und jetzt wo es in zwei Monaten losgehen soll, überkommt sie ein mulmiges Gefühl. An die Freude, die sie fühlte als sie die endgültige Zusage für das zweijährige Jobangebot bekam, kann sie sich noch sehr gut erinnern. Doch jetzt weiß sie gar nicht mehr, wieso sie sich gefreut hat. Es scheint als ob sie die ganze Sache nicht durchdacht hätte. „Typisch Babsi – einfach mit dem Kopf durch die Wand und Ziele verfolgen ohne zu wissen wieso“, denkt sie sich und jetzt muss sie zusehen wie es weiter geht.

Tausend Gedanken jagen ihr seit geraumer Zeit durch den Kopf: Hat sie etwas vergessen? Was ist, wenn sie nicht gut genug ist? Reicht ihr Englisch auch tatsächlich aus? Was ist wenn sie keine Freunde findet? Kann sie dies ihrer Familie überhaupt zumuten? Wie soll es nach den zwei Jahren eigentlich weitergehen?

Das meiste hat sie bis ins kleinste Detail geplant: Sie weiß, wo sie die erste Zeit wohnt, wie man am besten nach geeigneten Wohnungen in der Gegend sucht und mit der jetzigen Angestellten, deren Job sie bald übernehmen wird, hat sie auch schon mehrfach gemailt. Sie sollte sich doch freuen. Das tut sie auch, aber dann überkommt sie die Panik und sie weiß nicht, wieso sie plötzlich solche große Angst vor so einer tollen Erfahrung hat.

Die Angst vor dem Unbekannten ist ganz normal

Eine bevorstehende Auswanderung oder ein längerer Auslandsaufenthalt bedeutet nichts anderes als Veränderung und davor haben die meisten Angst. Unser Kopf und unser Körper warnen uns im Alltag immer wieder: Geh nicht durch die dunkle Gasse! Pass auf, da kommt ein Auto! Vorsicht, gleich wirst du umgerannt! Wenn wir jedoch realisieren, dass wir uns von unserer gewohnten Umgebung bald verabschieden müssen, tritt die Angst und Nervosität wie von selbst ein. Unsere Angst schützt uns also vor brenzligen Situationen und man muss sich bewusst machen, dass keiner einem im Ausland den Kopf abreißen möchte. Es ist also nur die Angst vor dem Ungewissen und nicht die Angst, die uns vor gefährlichen Situationen beschützt.

„What if I fall?“ – „Oh but my darling, What if you fly?“ (Erin Hanson)

Sich unentwegt auszumalen, was im schlimmsten Fall passieren könnte, wenn man etwas im neuen Land nicht hin bekommt, führt zu nichts. Dies ist nichts anderes als die Angst zu versagen und so geht es den meisten Menschen bevor sie einen neuen Job antreten. Kurz vor einem Auslandsaufenthalt mixen sich die Gefühle von Aufregung, Nervosität und vor allem Stress. Daher sollte man den Auslandsaufenthalt so gut wie möglich planen, um den Stress möglichst gering halten. Falls alles zu viel für dich wird, solltest du jemanden bitten, dich bei der Planung zu unterstützen. Ein wenig Arbeit kann dir aber auch helfen nicht vollkommen in Panik zu geraten, denn wenn du deine noch zu erledigenden Aufgaben in kleinere Teilaufgaben aufbrichst und somit beschäftigt bist, hast du kaum Zeit sich noch zusätzlich Sorgen zu machen.

Sich klar machen: Wovor habe ich wirklich Angst?

Schreib deine Ängste und Bedenken auf und frag dich selbst: Ist diese Angst wirklich begründet? Das sogenannte „Worst-Case Scenario“ kann dir auch helfen, deine Ängste zu besiegen. Was wäre das schlimmste, was dir im Ausland passieren könnte? Wenn du dir den schlimmsten Fall ausgemalt hast, solltest du dich fragen: Welche Lösungen gebe es diesbezüglich? Bei den meisten ist es die Angst zu versagen und innerhalb der ersten Wochen gekündigt zu werden. Was würdest du also tun, wenn man dir im Ausland kündigen würde? Genau, sich einen neuen Job suchen oder würdest du deinen Traum zerplatzen lassen nur weil irgendjemand dich nicht mag?

Eine Exit-Strategie für den Notfall haben

Jeder sollte für seine Auswanderung oder einen längeren Auslandsaufenthalt eine Exit-Strategie haben. Diese sollte vor dem Auslandsaufenthalt durchdacht sein und Möglichkeiten und Pläne für eine Rückkehr enthalten. Einen Plan B zu haben, kann die Nerven ganz schön beruhigen und hilft im Notfall, falls das Erlebnis im Ausland dann doch nicht den Vorstellungen entspricht.

Angekommen und mitten im Gefühlschaos

Wer die Zeit vor der Auswanderung überstanden hat und gut im neuen Land angekommen ist, der kann sich auch schon fast wieder auf das nächste Gefühlschaos vorbereiten. Denn während die einen plötzlich Heimweh haben, wenn die Realität nicht den Vorstellungen entspricht, sind andere Auswanderer ganz euphorisch über die neue Heimat. Dieses Phänomen  wird auch mit dem Model der Expat-Kurve oder „W-Kurve“ beschrieben und stellt die unterschiedlichen Gefühlsschwankungen dar, welche man erwarten kann, wenn man von einem Land in ein anderes zieht.

Marlene Schimanski ist die Gründerin und Chefredakteurin von Auslandskarriere. Sie lebte bereits in fünf verschiedenen Ländern (Portugal, Island, Österreich, Irland und Australien) und ist 2013 nach Australien ausgewandert. Sie hat bei PwC und KPMG im Global Mobility gearbeitet, bevor sie sich als Englisch-Übersetzerin und Karrierecoach selbstständig machte. Sie hat einen Masterabschluss in International Business Administration.