Berufung finden: Fragen und Übung in 4 Schritten

Berufung finden
Stärken und Wünsche entdecken und einen Job finden, der erfüllt. (Foto: Shutterstock)
[dropcap]D[/dropcap]ie eigene Berufung zu finden ist ein Prozess, der für den Einen länger, und für den Anderen etwas schneller geht. Wenn wir zurückdenken, warum wir uns für unseren Beruf entschieden haben, dann kommen wir manchmal ganz schön ins Grübeln.

Viele Menschen verändern sich im Laufe ihrer Karriere, hinterfragen aber nicht, wieso sie einen bestimmten Job ausüben, und leben Tag ein und Tag aus wie bisher weiter.

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Andere stoßen an ihre Grenzen, wenn sie das Berufsleben nicht mehr erfüllt. Die meisten Menschen tun sich schwer damit herauszufinden, worin die eigene Berufung liegt. Dies liegt daran, dass das Aufspüren ebenso Arbeit ist und man sich hierfür Zeit nehmen muss.

Die nachfolgenden Übungen helfen dir deiner Berufung ein Stückchen näher zu kommen.

Schauen wir uns diese vier Schritte einmal genauer an:

1Selbstkenntnis (Wissen)

Ablenkung von der Ausbildung, dem Studium, was der beste Freund gemacht hat oder was die Eltern von einem verlangten, kann dazu führen, dass ganz schön viel Zeit vergeht bis man sich endlich fragt: Was möchte ich eigentlich machen?

Alle vergangenen Ereignisse deines Lebens prägen dich und wirken sich ebenso auf deine
Zukunft aus. Aus diesem Grund sollte man seine Vergangenheit analysieren und evaluieren.

Denke über die letzten drei bis fünf Jobs beziehungsweise Studienfächer nach und stellen dir die folgenden Fragen:

  • Was hat mir an diesem Job/Studienfach am meisten gefallen?
  • Was hat mir an diesem Job/Studienfach am wenigsten gefallen?
  • Was hat mir an dem Arbeitsumfeld am meisten gefallen?
  • Was hat mir an dem Arbeitsumfeld am wenigsten gefallen?
  • Was hat mir am meisten an meinem Vorgesetzten und meinen Kollegen gefallen?
  • Was hat mir am wenigsten an meinem Vorgesetzten und meinen Kollegen gefallen?

Die 100-Träume-Liste

Die 100 Träume Liste ist eine Übung, um dich dem näher zu bringen, was du eigentlich beruflich machen möchtest, und konzentriert sich hierbei auf das Gesamtbild. Denn egal, ob du gerade von der Schule, der Universität oder aus einem Job kommen, der dich komplett ausgebrannt hat, die Frage, was man als nächstes machen möchte, fällt den meisten Menschen schwer zu beantworten.

Das Konzept wurde von der amerikanischen Karriereberaterin Caroline Ceniza-Levine ins Leben gerufen. Die Idee dahinter ist, dass man sich ernste Gedanken darüber macht, wie man in Zukunft seine Zeit verbringen möchte. Erstellen Sie zunächst Ihre persönliche Liste mit 100 Träumen. Dies mag zunächst albern klingen, allerdings schaffen es viele Leute nicht auf 100 Träume zu kommen.

Um 100 Träume aufzuschreiben, muss man sich nämlich wirklich mit sich selbst auseinandersetzen. Die ersten 20 Träume kann fast jeder runterschreiben, aber der Grund warum man 100 Träume aufschreiben soll ist, dass man wirklich ins Grübeln kommen muss, um herauszufinden, was wichtig und was unwichtig ist. Dies ist keine einfache Übung und kann sogar ein paar Tage in Anspruch nehmen.

Die Träume-Liste sollte folgende Elemente beinhalten: Do (Was möchtest du tun?), Be (Wer möchtest du sein?) und Become (Wo siehst du dich in der näheren und langfristigen Zukunft?).

Wenn die Liste steht, kann man diese mit Hilfe der folgenden Fragen filtern und nach Prioritäten ordnen:

  • Welche Werte und Ziele sind mir bei einem Beruf wichtig?
    Beispiele: Menschen einen Mehrwert bieten; Vereinfachung von Technologien, innovative
    Ideen einbringen; transparenteren Service für den Kunden bieten
  • Wo liegen meine beruflichen Interessen?
    Beispiele: Entwicklung von Strategien; Vereinfachung von komplexen Aufgaben; Benutzerfreundlichkeit erhöhen; neue Technologien anwenden; Austausch von Ideen
    mit Kollegen
  • In welcher Umgebung möchte ich arbeiten – Geographisch?
    Beispiele: Nähe zu einer großen Stadt; gute Infrastruktur; milde Temperaturen; viele
    Möglichkeiten, etwas zu unternehmen; Cafés und Shoppingzentren
  • In welcher Umgebung möchte ich arbeiten – Menschlich?
    Beispiele: flache Strukturen; kleines Team; freundschaftliche Kollegen; kein
    Konkurrenzdenken; zusammen an einem gemeinsamen Ziel arbeiten; Kollegen im selben
    Alter
  • Welche Gehaltsvorstellungen und Verantwortungslevel strebe ich an?
    Beispiele: Gehaltsvorstellung: Mindestens 48.000 Euro pro Jahr mit 3 Jahren Berufserfahrung im Marketing; Neueinstieg als User Experience Designer nach einem sechsmonatigen Kurs sowie BWL-Bachelorabschluss
  • Welche Fähigkeiten bereiten mir am meisten Freude?
    Beispiele: Probleme lösen; neues lernen; neue Ideen entwickeln, anderen Lösungswege zeigen/beibringen; Projekte planen; fertige Projekte präsentieren; zusammen mit anderen Ideen besprechen; Design, konzipieren; Wissen einbringen und andere schulen

I- oder T-Modell (Spezialist oder Generalist)

Um seine Fähigkeiten und sein Wissen genauer zu bestimmen, kann es auch hilfreich sein, wenn man weiß, ob man ein Spezialist oder ein Generalist auf einem Gebiet ist. Durch die Beraterfirma McKinsey & Company hat sich das sogenannte I-oder-T-Modell der Fähigkeiten herauskristallisiert, als bestimmt werden sollte, welche Art von Beratern man einstellen möchte.

Als „I“ bezeichnet man jemanden, der ein absoluter Spezialist auf seinem Gebiet ist und dessen akademische Laufbahn sehr geradlinig ist. Besonders im technischen und im naturwissenschaftlichen Bereich findet man Leute, die sich auf eine bestimmte Sache spezialisiert haben.

Als „T“ bezeichnet man hingegen jemanden, der zwar in einer Fachrichtung ausgebildet ist, allerdings noch viele fachverwandte Fähigkeiten mit sich bringt. Besonders die Leute, die eher in den Bereich „T“ fallen, haben öfters Schwierigkeiten sich im Berufsleben zu positionieren, da sie theoretisch in mehreren Bereichen arbeiten könnten, ihnen manchmal allerdings das nötige Spezialwissen fehlt.

Zu wissen, ob man eher ein Generalist oder ein Spezialist auf seinem Gebiet ist, kann einem helfen herauszufinden, in welche Richtung man gehen möchte. Der vertikale Balken beider Buchstaben bildet einen Anker. Wer sich also in der Vergangenheit beruflich nur auf einer Linie bewegt hat, der kann diesen Anker als Basis verwenden, um sich weiterzubilden, ohne sich komplett umzuorientieren.

Bei Generalisten ist es vor allem essentiell, dass sie diesen Anker zunächst einmal bestimmen. Bei zu vielen verschiedenen Positionen kann es nämlich für den Personaler schwieriger werden dich richtig einzuordnen.

Ein Beispiel hierfür wäre jemand mit einem Marketing-Studium und Berufserfahrung im Sales & Marketing. Es scheint von allem ein bisschen, was Marketing betrifft, dabei zu sein. Ein Wechsel zum digitalen Marketing kann in diesem Fall auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen; allerdings gehören hierzu noch weitere Fachgebiete wie Social Media, SEO, E-Mail-Marketing oder auch die Online-Anzeigenschaltung. Personen, die zuvor Erfahrung in Positionen im digitalen Marketing gewonnen haben, würden man daher eher bevorzugen als einen Marketing-Generalisten.

2Entscheidungen treffen (Klarheit)

Nachdem man herausgefunden hat, was einen beruflich begeistert, muss man eine Entscheidung treffen. Was befindet sich ganz oben auf der Liste? Was lohnt sich auszuprobieren? Lohnt es sich das bisherige ruhen zu lassen?

You don’t have to see the whole staircase, just take the first step.Martin Luther King

Zu wissen, wohin man möchte, also die Klarheit, sein Ziel ganz genau vor Augen zu haben, ist absolut notwendig, bevor man sich auf den Weg macht, dieses Ziel zu erkunden. Hierbei ist es wichtig seinen Instinkten zu vertrauen. Auch wenn wir unsere Zukunft in einem anderen Bereich oder in einer komplett anderen Branche sehen, instinktiv wissen wir meistens, was uns an einem bestimmten Job oder sogar dem ganzen Beruf unglücklich macht beziehungsweise nicht erfüllt.

Reflektiere deshalb an diesem Abschnitt dein im vorherigen Abschnitt erlangtes Wissen mit den folgenden Fragen:

Das „Wieso“ hinter dem Arbeiten und Leben

  • Wieso arbeite ich?
  • Was ist der Sinn des Lebens?
  • Wie steht meine Arbeit im Bezug zu mir selbst, meiner Familie und zu der Gesellschaft?
  • Wie definiere ich gute und wertvolle Arbeit?

Zusammenhang und Gegensätze vom Arbeiten und Leben

  • In welchen Aspekten ergänzt sich diese Sicht auf deine Arbeit und dein Leben?
  • In welchen Aspekten stoßen sie zusammen?
  • Gibt eins von ihnen die Richtung vor? Wenn ja welches und wieso?

3Was hält dich zurück? (Tatsachen)

Nachdem wir das nötige Wissen und die Klarheit erlangt haben, müssen wir den „elephant in the room“ – die Redewendung steht für ein offensichtliches Problem, das niemand erwähnt – ansprechen und analysieren. Bevor man den ersten Schritt in Richtung Traumberuf wagen kann, sollte man alle Zweifel ansprechen, bevor diese sich früher oder später breitmachen und dich womöglich dazu bringen, es erst gar nicht zu versuchen.

Was hält dich zurück?

Einige Beispiele:

  • Ich bin zu alt
  • Ich habe zu viele finanzielle Verantwortungen
  • Ich habe Angst, dass ich später nicht in meinen alten Job zurückkommen kann
  • Was ist, wenn ich es vermassele?

Die meisten Zweifel sind unbegründet. Dennoch solltest du einen Worst-Case Scenario für alle deine Zweifel aufschreiben und dich fragen, wie du wieder aus diesen herauskommen würdest.

4Maßnahmen ergreifen (Handeln)

Ohne etwas auszuprobieren, kann man sich nie zu 100 Prozent sicher sein, ob es tatsächlich das Richtige ist. Hierfür musst du aber nicht deinen Job kündigen und alles auf eine Karte setzen.

Was ist die kleinstmöglichste Handlung, die du heute, in einer Woche, in einem Monat machen kannst, die dich einen Schritt weiterbringt?

Beispiele:

  • mit einem Freund darüber sprechen
  •  Jemanden über LinkedIn anschreiben, der im Wunschjob arbeitet
  • einen Headhunter anschreiben
  • einen Online-Kurs zu einem bestimmten Thema besuchen oder belegen

Insbesondere kurze Online-Kurse können dir in kurzer Zeit viel Wissen vermitteln ohne dich in Unkosten zu stürzen. Bei den meisten Anbietern gibt es Kurse ab 9,90 Euro.

Online-Kurs-Anbieter

Udemy: Hier findest du Deutsche und auch Englische Kurse zu allen möglichen Themen. Bei Udemy zahlt man per Kurs und kann diese in seinem eigenen Tempo absolvieren. Bei der riesigen Auswahl hat man die Qual der Wahl. Mehr Infos hier [anzeige]

Skillshare: Unzählige Kurse zu allen möglichen Themen warten hier für dich. Das Besondere: Anstatt per Kurs zahlt man per Monat oder ein Jahresabo. Dies lohnt sich natürlich, wenn du zwischen mehreren Berufen schwankst und in mehrere Kurse reinschnuppern möchtest. Mit diesem Link kannst du Skillshare kostenlos für 14 Tage testen. [anzeige]

Domestika: Domestika bietet qualitativ hochwertige Kurse an. Hinter den Kursen steckt nämlich ein ganzes Produktionsteam. Die Kurse sind meist auf Spanisch oder Englisch, können allerdings mit deutschen Untertiteln geschaut werden. Insbesondere ist Domestika im Bereich Kreativität, Business und Marketing zu empfehlen. Mit dem Code „AUSLANDSKARRIERE-2021“ erhältst du 10 Prozent auf einen Kurs. Mehr Infos hier [anzeige]

Oftmals sind es die kleinsten Schritte, die dich weiterbringen können ohne gleich alles riskieren zu müssen. Je mehr du dich mit dem Thema (des neuen Traumjobs oder einer berufsverwandten Branche) widmest oder mit Leuten darüber sprichst, desto mehr Möglichkeiten werden dir offenbart.

Marlene Schimanski
Marlene Schimanski ist die Gründerin und Chefredakteurin von Auslandskarriere. Sie lebte bereits in fünf verschiedenen Ländern (Portugal, Island, Österreich, Irland und Australien) und ist 2013 nach Australien ausgewandert. Sie hat bei PwC und KPMG im Global Mobility gearbeitet, bevor sie sich als Englisch-Übersetzerin und Karrierecoach selbstständig machte. Sie hat einen Masterabschluss in International Business Administration.