Zu spät kommen: Was wirklich dahinter steckt

Menschen, die immer einige Minuten zu spät kommen, sind mir in der Regel sympathisch. Ich gehöre nämlich selber zu ihnen. Wir Zu-spät-Kommer machen uns stets erst auf die letzte Minute fertig, denn die Zeit ist wieder einmal -ups!- viel schneller vergangen, als wir dachten. Wir pressen uns nicht noch partout in den bereits rappelvollen Straßenbahn-Waggon, bevor dieser vor unserer Nase abfährt. Warum sollten wir uns das antun?

Auf die paar Minuten kommt es nun auch nicht an. Wir schauen uns auf dem Weg außerdem noch ganz schnell die heute besonders gelungene Schaufenstergestaltung unseres Lieblings-Blumenladens an – wo man schon mal da ist. Auch wenn all dies bedeutet, dass wir unser Ziel nicht pünktlich erreichen und jemand auf uns warten muss.

Dieser Jemand ist über unsere Bummelei oft gar nicht begeistert. Häufig unterdrückt er kritische Äußerungen, aber im Prinzip hält er uns für undiszipliniert, unorganisiert, rücksichtslos und nur auf uns bedacht. Ist da etwas dran?

Sind Zu-spät-Kommer egoistisch?

Einige Theorien unterstellen Menschen, die dauernd zu spät kommen, sie seien arrogant oder rebellierten mit ihrem Verhalten unbewußt gegen ein gesellschaftliches System, das Disziplin und Pünktlichkeit als Tugenden etabliert hat. Andere besagen, unpünktliche Menschen hätten ein übermäßig ausgeprägtes Bedürfnis nach Autonomie und sähen sich in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt, sobald sie einen fixen Zeitpunkt vor Augen haben. Sogar die Suche nach dem Kick (schaffe ich es pünktlich oder nicht?) wird als Grund angeführt.

An all dem mag zu verschiedenen Anteilen etwas dran sein.

Klar ist: Menschen, die notorisch zu spät kommen, nehmen in Kauf, dass sie die Zeit ihres Terminpartners in negativer Weise beanspruchen. Sie tun dies jedoch nicht vorsätzlich.

Viele Zu-spät-Kommer glauben bei jeder Verabredung wider besseren Wissens, dass sie es ohne Verspätung schaffen können. Sie machen sich jedoch möglicherweise nicht so viel Druck wie manch anderer, der verlässlich immer einen Tacken zu früh dran ist.

Dass die Zeit den Zu-spät-Kommern regelmäßig ein Schnippchen schlägt, hängt in den meisten Fällen auch damit zusammen, dass sie die Dauer von Vorgängen anders wahrnehmen als Leute, die immer rechtzeitig sind.

Die Psychologie des Zu-Spät-Kommens und das Empfinden von Zeit

Menschen erleben verstreichende Zeit sehr unterschiedlich. Das Tempo der inneren Uhr fällt bei jedem anders aus, und demzufolge gibt es eben auch Leute mit einem langsamen Tacho. Das muss nicht unbedingt etwas Schlechtes sein. An der Eigenzeit orientierte Menschen erledigen die Dinge, wie sie es für erforderlich halten. Uhrzeit-Orientierte arbeiten ihre Aufgaben nach der Uhr ab. Letztere sind tendenziell stets pünktlich, büßen jedoch manchmal an Qualität des Erlebten ein. Wir Zu-spät-Kommer leben also stärker im Moment.

Daneben gibt es andere Gründe, die Menschen zu spät kommen lassen. Zum Einen unterschätzen Leute wie ich oft, wie lange Dinge dauern. Wir bauen nicht genügend Puffer für Szenarien ein, in denen alles nicht so ideal läuft wie in unserem Kopf. Dass die Bahn uns vor der Nase wegfährt, das war so in unserer Planung nicht vorgesehen. Da diese Dinge jedoch passieren, ist unsere zeitliche Planung stets zu optimistisch. Folge: Wir sind zu spät.

Zum Anderen machen wir Bummler uns oft mit Verzug auf den Weg, weil wir unzufrieden mit unserer eigenen Produktivität sind. Da wir am Tag nicht so viel geschafft haben wie wir wollten, schalten wir in letzter Minute den Turbo ein und versuchen wenigstens so viel abzuarbeiten, dass wir während unserer Verabredung keine Panikattacken erleiden. Dann sind wir lieber 10 Minuten zu spät und dafür dann ganz bei unserem Date.

So absurd es klingen mag, einigen bereitet der Wechsel von einer Tätigkeit zu anderen Unbehagen, und sie sind deshalb unpünktlich. Diese Menschen verlieren sich oft in einer Beschäftigung und hassen es, wenn sie diese unterbrechen müssen. Es ist nicht so, dass sie ein Problem mit dem bevorstehenden Termin an sich haben. Sie sind einfach absorbiert mit ihrem Tun und können es nur schwer zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt beenden.

Warum sich pünktlich sein lohnt

Zu spät kommen kann Schäden anrichten. Es kann Freundschaften riskieren und finanziellen Verlust bedeuten (etwa, wenn ein Flug verpasst wird). Geringstenfalls stellt es unsere Zuverlässigkeit in Frage, im schlimmsten Fall kann man sich bei wiederholter Unpünktlichkeit eine Abmahnung vom Arbeitgeber einhandeln.

Es zahlt sich also aus, aktiv am eigenen Zeitmanagement zu arbeiten und Strategien zu befolgen, die einem helfen, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. Nicht zuletzt bedeutet dies auch, dass man selber entspannter ankommt.

Wie man es schafft, pünktlich zu sein

Da wir nun verstanden haben, dass wir wir Zu-spät-Kommer ein Problem mit realistischer Zeiteinschätzung haben, möchte ich den Artikel nicht beenden, ohne einige Tipps zu nennen, die mir persönlich helfen, pünktlich zu sein.

  • Die Uhr ein paar Minuten vorstellen. Auch wenn man sich selber damit austrickst, erzeugt es dennoch Druck, wenn man beim Blick aufs Zifferblatt sieht, dass es – oh Schreck! – schon so spät ist.
  • Vor und beim Autofahren ein Navigationsprogramm wie beispielsweise Google Maps benutzen, um die Zeit des Weges realistisch zu kalkulieren.
  • Sich vornehmen, früh (anstatt pünktlich) zu sein. Schaff dir Anreize, früh am vereinbarten Treffpunkt zu erscheinen. Etwa, indem du dich mit einem leckeren Kaffee vorher belohnst. Oder mit 10 Minuten entspannt schmökern. Mit diesem Vorsatz wird es bei uns notorischen Zu-Spät-Kommern mit dem Kaffee oft nichts, das Pünktlichsein bekommen wir dann jedoch gerade so hin!
Nach Studium und Volontariat zog es Sabine Feske 2010 nach Südafrika. Dort arbeitete sie zunächst bei Amazon Kindle Direct Publishing und unterstützte Autoren und Verlage dabei, ihre Bücher digital zu veröffentlichen. Heute zeigt sie Südafrika-Besuchern als selbständige Reiseleiterin die schönsten Ecken Kapstadts und verfasst für verschiedene Auftraggeber Texte, die sich mit den Themen Reisen und Auswandern befassen. Seit 2017 schreibt sie für Auslandskarriere.